Intergeschlechtlichkeit, was ist das?

Der Begriff Intergeschlechtlichkeit bezeichnet biologische Besonderheiten bei der Geschlechtsdifferenzierung. Intergeschlechtliche Körper weisen deshalb Merkmale vom weiblichen und vom männlichen Geschlecht auf.

Es handelt sich also um Menschen, deren geschlechtliches Erscheinungsbild von Geburt an, hinsichtlich der Chromosomen, der Keimdrüsen, der Hormonproduktion und der Körperform nicht nur männlich oder nur weiblich ausgeprägt ist, sondern scheinbar eine Mischung darstellt.

Intergeschlechtliche Menschen sind in erster Linie Menschen. Sie werden von der Medizin jedoch zu „Syndromen“ erklärt. Wir sehen intergeschlechtliche Manschen in erster Linie als natürliche Varianten menschlichen Lebens an.

Die Bandbreite dieser sogenannten Syndrome reicht vom häufig beobachteten CAIS (Complete Androgen Insensitivity Syndrome) und dem selteneren PAIS (Partial Androgen Insensitivity Syndrome) über die reine (Swyer Syndrom) und gemischte Gonadendysgenesie, den 5-Alpha-Reduktase-Mangel und 17-Beta-HSD-Mangel bis hin zum äußerst raren „LH-Rezeptordefekt“ (Leydigzell-Hypoplasie), dem „Hermaphroditismus verus“ und dem CAH (früher AGS). In der Medizin spricht man seit 2005 von DSD (Disorders of sexual development), als „Störung“ und die Diagnosen lauten z.B. XY-DSD oder, XX-DSD. Doch selbst zahlreiche Mediziner befürworten heute die passendere Auslegung von DSD als Differences of Sexual Development, als Variante der Geschlechtsentwicklung.

Wenn gleich die Medizin oft schon ab Geburt eines intergeschlechtlichen Menschen eine Rolle in seinem Leben spielt, ist die weit überwiegende Mehrzahl der intergeschlechtlichen Menschen nicht per se krank oder behandlungsbedürftig.

Viele Mitglieder unseres Vereins wurden medikamentös oder operativ und ohne umfassende Aufklärung von Ärzten behandelt. Die folgenden Gesundheitsstörungen sind Resultat dieser Behandlungen. Nach der Auffassung des Vereins ist diese medizinische Behandlungspraxis auch in Übereinstimmung mit den UN- Expert_innen rechts- und menschenrechtswidrig.

STORIES

Wie intergeschlechtliche Menschen mit ihrer Besonderheit umgehen, ist in den persönlichen Geschichten auf unseren Seiten der Selbsthilfegruppen nachzulesen.

Wenn Sie sich über die unterschiedlichen Formen („Syndrome“) genauer informieren wollen: Erscheinungsformen

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Viele inter* Menschen pflegen als Ergebnis der intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen Identität, den medizinischen und sozialen Realitäten einen organisch gewachsenen, selbstverständlichen Umgang mit Tabuworten, nutzen auch Schimpfwörter selbstbewusst zur Tatsachenbeschreibung und charakterisieren sich selbst als Zwischengeschlecht, Hermaphrodit oder Zwitter.

Die Auseinandersetzung und die Selbstfindung sind für viele inter* Menschen ein langer Prozess.

Intergeschlechtlich geborene Menschen setzen sich oft ihr ganzes Leben lang mit der Norm der Geschlechter in „männlich“ und „weiblich“ intensiv auseinander. Sie sehen sich mit der Aufgabe konfrontiert, ein eigenes Selbstverständnis finden zu müssen, für das es in der Gesellschaft kein Vorbild gibt, weil die konventionellen Rollenvorstellungen von Mann und Frau zu kurz greifen. Intergeschlechtliche Menschen können sehr unterschiedliche Lebensplanungen haben und leben in sehr unterschiedlichen Geschlechterrollen, können „weiblich“ sein, „männlich“ oder „intersexuell“. Wie sich ein inter* Mensch sieht, wird durch viele verschiedene Faktoren geprägt und ist das Ergebnis einer langen Differenzierungsphase.

Elternrolle: In einer Welt, in der über Intergeschlechtlichkeit / Varianten der Geschlechtsentwicklung wenig bekannt ist, brauchen insbesondere Eltern eine gute Unterstützung. Sie tragen für eine lange Zeit die Verantwortung für das körperliche und seelische Wohlergehen ihres Kindes. Durch die Geburt eines Kindes mit Variante der Geschlechtsentwicklung fühlen sie sich oftmals, aufgrund fehlender sowie falsch verstandener Informationen oder einfach durch die Masse der medizinischen Fakten überfordert. Dabei stehen sie Entscheidungen gegenüber, deren Auswirkung und Ausmaß sie nicht gänzlich überblicken können. Das dadurch entstehende Ohnmachtsgefühl kann einen gravierenden Einfluss auf den natürlichen Umgang mit dem eigenen Kind haben.

Die Beeinträchtigung des Aufbaus und der Pflege eines intensiven, selbstverständlichen Vertrauensverhältnisses zwischen Eltern und Kind ist oftmals die Folge. Dabei sollte gerade die Stärkung des Eltern-Kind-Verhältnisses im Vordergrund stehen und die Akzeptanz des Kindes in seinem Sein, damit in ihm, mit der Unterstützung der Eltern, das Selbstbewusstsein für eine eigene und selbstbestimmte Entwicklung entstehen kann.

LEKTÜRE

Lektüre: Als weiterführende Literatur empfehlen wir bei Interesse die folgenden Titel, die unter Mitwirkung von der SHG XY-Frauen, Kinder, Eltern und Erwachsene entstanden sind. Nebenbei handelt es sich hier um die ersten beiden Sachbücher über Intersexualität in deutscher Sprache:

  • Ulla Fröhling, „Leben zwischen den Geschlechtern – Intersexualität: Erfahrungen in einem Tabu-Bereich“, Ch. Links Verlag 2003.
  • Claudia Lang, „Intersexualität – Menschen zwischen den Geschlechtern“, Campus Verlag 2006.